Aufbau, Umsetzung und Anwendung eines City Information Models und Digitalen Zwillings
In den Arbeitspaketen 2 und 3 wird für die Stadtplanung ein City Information Model (CIM) bzw. ein digitaler Zwilling aufgebaut und anhand von Anwendungsfällen erprobt. Dadurch erfolgt eine schrittweise Annäherung an die Komplexität des Gesamtkonstrukts eines CIM sowie eines digitalen Zwillings. Der Schwerpunkt liegt auf der Erprobung von einzelnen Komponenten (Schnittstellen, Softwarearchitektur, Anwenderfreundlichkeit für die Nutzer*innen, Vereinfachung von Prozessen zwischen verschiedenen Ämtern).
Bei der Neuplanung von städtebaulichen Projekten muss eine Vielzahl an Aspekten mitgedacht werden. In erster Linie werden Varianten von Planungsszenarien und ihre Auswirkungen auf den Raum und die Umgebung erarbeitet. Diese Szenarien werden zurzeit vor allem durch Planwerke, Gutachten und Zeichnungen entwickelt, was sehr ressourcenintensiv in Form von Zeit und Materialien ist. Durch die Funktionen des Anwendungsfalls „Städtebauliche Simulationen“ im Rahmen des MPSC wird es ermöglicht, schnell und genau erste Planungsvarianten von Gebäuden im 2D und 3D Modus zu erproben und erste Erkenntnisse zu den räumlichen Beziehungen und Auswirkungen auf den Raum zu erhalten. In diesem Kontext ist auch die Bevölkerungsanalyse und -entwicklung von Interesse. Informationen zu Bevölkerungszahlen und -strukturen sind bisher nur in tabellarischer Form vorhanden. In der Planung wird jedoch meist ein räumlicher Bezug benötigt. Eine räumliche Darstellung, zum Beispiel auf Quartiere oder Stadtteile bezogen, ist hier hilfreich, um diese in der Planung im Zusammenspiel mit anderen räumlichen Daten zu sehen. Ein weiterer Anwendungsfall ermöglicht deshalb die Verknüpfung von statistischen Bevölkerungsdaten mit räumlichen Gebietseinheiten und bietet eine Abfragemöglichkeit von Bevölkerungsdaten basierend auf individuellen räumlichen Abgrenzungen (z.B. Umkreis um einen konkret zu planenden Bereich).
Die Stadt Paderborn bewegt sich mit dem Klima Aktionsplan (KAP) in Richtung Klimaneutralität und hin zu einer strategischen Anpassung an die Folgen des Klimawandels. So hat der Stadtrat bereits im Jahr 2019 die CO2-Neutralität des Stadtkonzerns bis 2035 beschlossen. Die gesamtstädtische Klimaneutralität bis 2040 wurde im Jahr 2021 beschlossen.
Die Digitalisierung kann hier insbesondere beim Zusammenführen von Daten in den Bereichen Wärmeplanung, Grünblaue Infrastruktur und Klimafolgenanpassung helfen.
Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, werden im MPSC verschiedene Anwendungsfälle realisiert:
Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen die Einflüsse der steigenden Temperaturen im Rahmen der städtebaulichen Planung reduziert werden, um die mit Hitze verbundenen gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung zu reduzieren. Dabei spielt die Vegetation durch Verdunstung und Schatten eine wichtige Rolle. Sie kann so gezielt als Maßnahme zur Hitzereduktion angebracht werden. Dabei ist entscheidend, dass die Vegetation vital und ausreichend mit Wasser versorgt ist. Um dies sicherzustellen, existieren momentan noch keine kostengünstigen Lösungen. Der zu entwickelnde digitale Zwilling liefert ein Monitoring der Vegetation im Hinblick auf Vitalität und Wasserversorgung, sodass bei akuter Trockenheit gezielt gegossen werden kann. Ferner kann damit der Einfluss von gezielten Pflanzungen zur Reduktion von Hitzeinseln überprüft und evaluiert werden.
Neben der Vegetation ist auch das nächtliche Einströmen von Kaltluft wichtig. Kaltluft entsteht potenziell auf Flächen mit einer negativen Strahlungsbilanz. Dies sind vor allem wenig bis nicht bewachsene unversiegelte Flächen wie Äcker und Wiesen. Hier entsteht aufgrund der negativen Strahlungsbilanz in der Nacht kalte Luft, die sich aufgrund ihrer höheren Dichte am Boden sammelt und hangabwärts fließt. Aus diesen Abflussrichtungen, die sich anhand eines Geländemodells ableiten lassen, ergeben sich Einströmschneisen in die Stadt. Diese können einen Beitrag zur Minderung von Hitzeinseln leisten. Zur Identifikation von potenziellen Kaltluftentstehungsgebieten und von Abflussrichtungen und damit Einströmungsbereichen von Kaltluft vom Umland in die Stadt hinein werden verschiedene frei zugängliche Daten zur Oberflächenbeschaffenheit zusammengeführt und die Berechnung der Hangneigung und Hangrichtung mit Hilfe eines digitalen Geländemodells realisiert.
Ein weiterer Anwendungsfall ermöglicht es, Entwürfe von Neubauflächen einfacher auf deren klimatischen Einfluss im Quartier (aber auch gesamtstädtisch) hin zu analysieren, um Masterpläne und Bebauungspläne im Sinne einer lebenswerten, gesunden, klimaresilienten Stadt zu gestalten. Zudem ist der Aspekt des Monitorings von Maßnahmen im Bestand zur Anpassung an den Klimawandel entscheidend, um Stadtentwicklung zukünftig resilienter zu gestalten und negative Folgen von Hitze auf die Bevölkerung zu vermeiden. Langfristig soll der im Projekt zu entwickelnde digitale Zwilling Szenarien zu unterschiedlichen Entwürfen und ihren Auswirkungen der Bauplanung auf städtischen Wärmeinseln liefern, um Planer*innen in ihren Entscheidungen zu unterstützen.