Richtungsentscheidung zwischen EU und Russland: Parlamentswahl in Georgien begonnen

26.10.2024

© Vano SHLAMOV, AFPIn Georgien wird ein neues Parlament gewählt. Während ein Oppositionsbündnis für einen pro-westlichen Kurs steht, ist die Regierungspartei Georgischer Traum Russland zugewandt.

In Georgien ist am Samstag eine richtungsweisende Parlamentswahl abgehalten worden. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung vier Stunden nach Öffnung der Wahllokale bei 22 Prozent. Während ein Oppositionsbündnis für einen pro-westlichen Kurs steht, ist die Regierungspartei Georgischer Traum Russland zugewandt. Umfragen zufolge hat die pro-europäische Opposition gute Chancen, die Moskau-nahe Regierungspartei abzulösen.

Die Abstimmung endet um 20.00 Uhr (Ortszeit, 18.00 Uhr MESZ). Kurz danach wird mit der Veröffentlichung des Auszählungsergebnisses gerechnet. Laut der jüngsten Umfrage des US- Meinungsforschungsinstituts Edison Research sprechen sich 34 Prozent der Wähler für den Georgischen Traum aus. Die Oppositionskräfte kommen demnach gemeinsam auf insgesamt 53 Prozent der Stimmen.

Die pro-westliche Präsidentin Salome Surabischwili, die mit der Regierungspartei im Streit liegt, sagte nach der Stimmabgabe, am Abend werde "ganz Georgien siegen". "Ich bin zuversichtlich, dass dieser Tag die Zukunft Georgiens bestimmen wird, die Zukunft, für die ich persönlich vor 22 Jahren in dieses Land zurückgekehrt bin", sagte die in Paris geborene Tochter von georgischen Emigranten, die nach der Annexion Georgiens durch Russland im Jahr 1921 nach Frankreich geflohen waren.

Ministerpräsident Irakli Kobachidse hingegen zeigte sich zuversichtlich, dass der Georgische Traum die absolute Mehrheit im 150 Sitze zählenden Parlament erringen werde. Er rief zu einer "maximalen Mobilisierung" der Regierungspartei-Anhänger auf.

In einem Wahllokal im Zentrum der georgischen Hauptstadt Tiflis sagte der Musiker Giorgi Kipschidse der Nachrichtenagentur AFP: "Ich habe für die Opposition gestimmt, und ich bin sicher, dass sie heute gewinnen werden." Die meisten Georgier hätten erkannt, "dass die derzeitige Regierung uns zurück in den russischen Sumpf und weg von Europa zieht".

Gela Vasadse vom georgischen Zentrum für strategische Analyse warnte vor der Gefahr von Unruhen. "Wenn die Regierungspartei ungeachtet des Wahlergebnisses versucht, an der Macht zu bleiben, besteht die Gefahr von Unruhen nach der Wahl." Die Regierungspartei, die vom mächtigen Milliardär Bidsina Iwanischwili kontrolliert wird, will die absolute Mehrheit im Parlament erringen, um die pro-westliche Opposition per Verfassung verbieten zu können.

Der Georgische Traum, der seit 2012 an der Macht ist, verfolgte zunächst einen liberalen, pro-westlichen Kurs. In den vergangenen zwei Jahren wandte die Regierung sich jedoch verstärkt Moskau zu. In der jüngeren Vergangenheit ähnelten die Aussagen von Milliardär Iwanischwili, der bei der Parlamentswahl nicht auf dem Stimmzettel steht, mehr und mehr denen des Kremls. Im Wahlkampf verbreitete er eine Verschwörungstheorie über eine mysteriöse "globale Kriegspartei", die Georgien in den russischen Krieg gegen die Ukraine hineinziehen wolle.

Die Verabschiedung eines Gesetzes der Regierung gegen angebliche "ausländische Einflussnahme" hatte in diesem Jahr Massenproteste in dem Vier-Millionen-Einwohner-Land ausgelöst. Die Regelung ähnelt dem russischen Gesetz zu "ausländischen Agenten", das der Unterdrückung Oppositioneller dient. Brüssel fror daraufhin den EU-Beitrittsprozess mit Georgien ein, und die USA verhängten Sanktionen. Anfang des Monats sorgte ein weiteres Gesetz für Spannungen, das die Rechte der LGBTQ-Minderheit einschränkt.

Dem Oppositionsbündnis gehören die wichtigste Oppositionspartei Georgiens an, die UNM des inhaftierten Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili, sowie Achali, eine kürzlich von ehemaligen UNM-Politikern gegründete Partei. Mit anderen kleineren Parteien haben sie sich zu einer pro-europäischen Plattform zusammengeschlossen, die weitreichende Reformen im Wahlrecht, in der Justiz und der Strafverfolgung plant. Bei einem Sieg will das Bündnis eine Übergangsregierung bilden, die die Reformen umsetzen soll, und dann Neuwahlen ausrufen.