Stadtbesetzung in Paderborn

Stadtbesetzung ist ein Förderprojekt des Kultursekretariat NRW Gütersloh.
Gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

2024 Mobil für Hier und Jetzt

© Michael Austermeier
© Michael Austermeier

MOBIL FÜR HIER UND JETZT: Wir gehen mit dem Teig

Installation in Bewegung (Paderborn) in Rahmen von Stadtbesetzungen

In Zeiten, die in vielen Belangen aufwühlen und stets eine hohe Taktung fordern, ist eine Konzentration auf den Moment und gute Erlebnisse essenziell. Mit dieser Motivation bewegt sich das MOBIL FÜR HIER UND JETZT durch den Stadtraum von Paderborn und steht für Entschleunigung ein. An Bord des Mobils: eine minimalisierte Backstube für Brot mit langer Teigführung, dessen Taktung die Langsamkeit des Fortkommens bestimmt. Es bewegt sich gemächlich, aber gut sichtbar durch das Zentrum der Stadt, umkreist Orte, geht Umwege oder lässt sich auf Plätzen nieder. Gemeinsam mit einem Publikum, das das Jetzt sucht, wird das Einfache getan. Auf einer etwas anderen Prozession wird langsam gegangen, für das Hier eingestanden oder gemeinsam im Flüsterchor gesprochen. Der Teig diktiert die Pausen. Der Verzehr des frischen Brotes beschließt jeweils die ausgebremsten Tage.


© Michael Austermeier

Drei Tage und drei Brote – dazwischen viele Schritte, Gespräche und Begegnungen. Mit Gasherd und kleinem Schilderwald an Bord war das MOBIL FÜR HIER UND JETZT (Öffnet in einem neuen Tab) wie ein Wiedergänger in der Innenstadt Paderborns unterwegs, hat Blicke auf sich gezogen und Nachfragen provoziert. Scheppernd, langsam, aber erstaunlich wendig hat sich das eigentümliche Gefährt durch den Stadtraum bewegt und dazu aufgefordert, für einen bewussten Moment aus der Hektik des Alltags auszusteigen. 
Der Teig – nicht nur im Untertitel des Projekts, sondern auch ganz real mitgeführt – war wie ein Pate, der symbolisch das Diktat der schnellen Taktung hinterfragte. Schließlich brauchte die klebrige Masse viele Stunden, um sich bei langer Teigführung in ein schmackhaftes Sauerteigbrot zu verwandeln. Gut Ding will Weile haben. Unser Teig hatte Zeit. Ein gutes Erlebnis braucht jedoch keinen großen Aufwand. So hat sich das Mobil als Kontrapunkt zur aufgeregten Eventkultur verstanden, indem es improvisiert und schlicht auftrat. 
Wie sehr es die Wahrnehmung verändert, wenn man sich der Öffentlichkeit aussetzt, haben die Menschen erlebt, die sich darauf eingelassen haben, mit einem Schild in der Hand eine Weile für das HIER und JETZT einzustehen. Wie einen „Anker im Moment“ haben Mitmachende das demonstrative Stehen beschrieben, das sie im Handumdrehen zum Teil der Aktion werden ließ. Eine simple Handlung machte den öffentlichen Raum zur Bühne, die offen ließ, wer in welchem Moment Angeschaute*r und wer Betrachtende*r war. 
Drei Tage lang war das ausgebremste Gefährt in der Domstadt sichtbar. Wer sich Zeit ließ, konnte das HIER und JETZT erleben, ergehen, hören und schmecken. Unser Teig war nicht nur ein stetiger Begleiter, sondern auch ein verlässlicher – trotz Geholper über Kopfsteinpflaster ließ er sich am Ende eines jeden Aktionstages zu einem knusprigen Brot backen.

Ingke Günther

 

© Michael Austermeier
© Stadt Paderborn
© Stadt Paderborn

© Jörg WagnerIngke Günther und Jörg Wagner

Ingke Günther und Jörg Wagner 

Als Künstlerpaar beschäftigen sich Ingke Günter und Jörg Wagner mit alltagskulturellen Phänomenen. Ihre prozessorientierten Aktionen, Interventionen und bespielten Installationen umkreisen soziale, gesellschaftliche und kulinarische Handlungsräume. Themen aus dem alltäglichen Nahbereich – wie das Abendbrot, der Kiosk, Friedhof oder die (Un)Gastlichkeit – werden kontextbezogen bearbeitet. Dabei steht häufig die Gestaltung von ortsspezifischen Situationen im Vordergrund, die ungewöhnliche Begegnungen provozieren und Menschen involvieren. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die performative Auseinandersetzung mit Speisenzubereitung und Verzehr. Der Kulturraum der Küche, die daran gebundenen ästhetischen Ausprägungen, Handlungen und gespeicherten Erinnerungen werden hier auf unterschiedliche Weise künstlerisch in den Blick genommen und geformt.

Günther/Wagner (Öffnet in einem neuen Tab) schätzen die künstlerische Peripherie. Sie leben in Gießen.


© Freundeskreis